Fernrohr aus Kaisers Zeiten

Wiederinbetriebnahme eines der weltgrößten, historischen Linsenteleskope
dem Großen Refraktor auf dem Telegrafenberg in Potsdam.



1899 wurde in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. (König von Preußen) das damals modernste Linsenteleskop eingeweiht. Im Wettkampf um das größte Rohr, hatte Majestät vier Jahre zuvor befohlen, die 70 cm-Linse der Archenhold-Sternwarte in Berlin zu übertrumpfen. Auch der Standort auf einem bewaldeten Hügel in Potsdam war gegenüber dem zunehmend an "Lichtverschmutzung" leidenen Berliner Himmel, ideal. Der Zweckbau besitzt eine 21 m breite und 18 m hohe Kuppel. In der Mitte steht ein Schaft, auf dem vom übrigen Gebäude schwingungsfrei das Fernrohr ruht.





Das Teleskop selbst besteht aus zwei parallelen Fernrohren, ist ca. 13 m lang und hat ein Gewicht von 7 Tonnen. Das für die visuelle Beobachtung vorgesehende Rohr hat einen Linsendurchmesser von 50 cm, das auf blau-grüne Lichtspektren optimierte fotografische Rohr eine Linse von 80 cm.

Trotz aller Erfahrung der Glasfirma Schott in Jena, kam es auch hier bei der Abkühlung von so großen Mengen geschmolzenem Glas zu Zonenfehlern. Für die Bewertung der Güte großer Linsen wurden zunächst spezielle Testverfahren (Hartmann-Tests) entwickelt, die später auch ein gezieltes Retuschieren des Objektivs erlaubten. Letztlich jedoch, verhalfen die technischen Grenzen der Glasindustrie dem einfacher herzustellenden Spiegelteleskop weltweit zum Durchbruch.





Der Große Refraktor, das derzeit größte fotografisch korrigierte Linsenfernrohr der Welt, ist parallaktisch montiert und wird automatisch nachgeführt. Eine bewegliche Plattform hinter den Okularen lässt sich je nach Körpergröße optimal auf die benötigte Sichtachse ausrichten. Wegen der vielen Handräder hat man als Laie das Gefühl, sich in einem "U-Boot des Universums" zu befinden.





Bedeutung erlangte dieses Fernrohr insbesondere für die Sternenfotografie und Spektralanalyse von Doppelsternsystemen. Periodisch auftretende Rot/Blau-Verschiebungen im Sternenlicht lassen auf die Masse (Doppler-Effekt) und die Absorbtionslinien auf dessen Zusammensetzung schließen.

Zunächst unerklärliche Meßabweichungen führten hier auch zur Entdeckung der "interstellaren Materie". Das Vorhandensein dieser Nebelwolken bildete später für Karl Schwarzschild die Voraussetzung, um die Gültigkeit von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu errechnen.

Der dänische Astrophysiker Ejnar Hertzsprung legte in zehn jähriger Forschung hier den Grundstein für das spätere Hertzsprung-Russel-Diagramm, womit sich aus Leuchtkraft, Temperatur und Spektralklasse das Alter für jeden Stern bestimmen lässt.



Dank einer großzügigen Spenderin und eines Fördervereins wurde zum 100-jährigen Bestehen mit der Sanierung des Ziegelbaus begonnen und Jenaer Experten kümmerten sich um die Optik. Seit Ende 2005 ist das Sternenrohr nun wieder am angestammten Platz, wurde feinjustiert und ist nun seit November 2006 wieder Teil der öffentlichen Führung im Gelände des Astrophysikalischen Obsavatoriums. Auch der 1921 fertiggestellte Einsteinturm (expressionistisches Bauwerk zur Messung von Sonnenflecken) gehört zum AIP.

Fotos vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP)
Telegrafenberg Potsdam, 2. November 2006

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